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Der Himmel über La Palma, von Klaus Fuhrmann


Juni 2006  - Der Stern, den wir "Sonne" nennen

Teil IV - Der Weg zum roten Riesen


Im letzten Monat haben wir die Entwicklung der Sonne im Verlauf der ersten etwa 8 Milliarden Jahre kennengelernt. Wohl gemerkt, die Sonne hat derzeit ein Alter von 4.5 Milliarden - oder 4500 Millionen - Jahren. Ein extrem langer Zeitraum also, und doch nur etwa ein Drittel des Alters des Universums. Nach einer turbulenten Anfangsphase geriet die Sonne schon bald in ruhiges Fahrwasser, indem sie ihren gewaltigen Fusionsofen im Inneren beständig mit frischem Wasserstoff versorgte.

Das dabei entstehende Element Helium, also sozusagen die "Asche" der Wasserstoff-Kernfusion, sammelt sich bei diesem Prozeß im Kern der Sonne nach und nach an, findet dort aber zunächst einmal keine weitere Verwendung. Allerdings "stört" diese Helium-Asche insofern, als es einerseits den hier für die Verbrennung notwendigen Wasserstoff verdrängt, selbst aber bei den im Sonnenkern vorherrschenden Temperaturen von "nur" 15 Millionen Grad auch nicht weiter verbrannt werden kann.

Dieser ersten "Energiekrise" in ihrer Entwicklung begegnet die Sonne nun dadurch, daß sie ihre Wasserstoff-Kernfusion in einer Schale um den Heliumkern herum aufbaut. Daß da jetzt im Inneren der Sonne (aber eben nicht mehr genau in ihrem Innersten!) etwas qualitativ Neues passiert, bleibt - wie so oft im Leben - nicht ohne Rückwirkung auf das äußere Erscheinungsbild der Sonne.
Das nun weiter außen stattfindende "Wasserstoff-Schalenbrennen" heizt nämlich die darüber liegenden Schichten nun so extrem auf, daß eine insgesamte Expansion, also eine Ausdehnung, der Sonne alsbald eintritt. In ihren äußersten Schichten, die mit fortschreitender Expansion aber auch mehr und mehr den Kontakt zu den inneren Bereichen verlieren und zudem durch die nun vergrößerte Sternoberfläche ihre Energie besser abstrahlen können, wird die Sonne sodann aber auch deutlich kühler.

In Abhängigkeit von ihrem Alter besitzt also die Sonne immer eine ganz bestimmte Temperatur sowie eine dazugehörige Helligkeit - oder "Leuchtkraft" - wie man sagt. Dieser Zusammenhang ist für die Sonne nun in Abbildung 1 gezeigt. Unten, an der X-Achse, finden wir die sogenannte "Effektivtemperatur" aufgetragen (in Grad Kelvin, Sie erinnern sich?). Diese entspricht in etwa der Temperatur an der Sternoberfläche, wobei diese natürlich als Gaskugel keinen festen Rand hat. Als Oberfläche ist daher in etwa diejenige Schicht der äußersten Atmosphäre der Sonne anzusehen, aus welcher der Großteil der zu beobachtenden Strahlung kommt (diese Schicht ist auch unter dem Namen "Photosphäre" bekannt). Weiter innen ist die Sonne wesentlich heißer und erreicht in ihrem Kern, wie bereits oben erwähnt, etwa 15 Millionen Grad. Die Y-Achse in dem Diagramm der Abbildung 1 ist nun die Leuchtkraft bezogen auf den heutigen Wert der Sonne. Die Leuchtkraft 1.0 ist also die aktuelle Sonnenleuchtkraft. Eine Leuchtkraft von 1.1 wäre also eine Erhöhung gegenüber der heutigen Sonnenleuchtkraft um 10%. Ein Leuchtkraft mit dem Wert 2.0 also eine 100% Erhöhung, bzw. einfach das Doppelte der heutigen Leuchtkraft der Sonne.


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Abbildung 1: Entwicklungsweg-Diagramm der Sonne. Zu jedem Zeitpunkt in ihrer Milliarden Jahre andauernden Entwicklung besitzt die Sonne eine bestimmte Temperatur und Leuchtkraft. Diese beiden Größen ändern sich jedoch im Verlauf von Millionen von Jahren als Ergebnis der beständig fortschreitenden Kernfusion und der Tatsache, daß auch bei einem Stern der scheinbar unermeßliche Wasserstoffvorrat doch auch irgendwann einmal zur Neige geht. Der sich daraus ergebende "Weg" in diesem Diagramm ist hier dargestellt. Die angefügten Zahlen geben das jeweilige Alter der Sonne bei Erreichen der durch Sternsymbole markierten Punkte an. So bedeutet "3.26" ein Alter von 3.26 Milliarden Jahre, und entsprechend "11.70", der äußerste Punkt rechts oben im Diagramm, ein Alter von 11.70 Milliarden Jahre. Die Sonne hat derzeit ein Alter von 4.5 Milliarden Jahre (markiert durch ein diamantenes Symbol) und steht somit noch eher am Anfang ihrer Entwicklung. Diagramme, wie das hier gezeigte, haben in der astrophysikalischen Forschung ein ganz zentrale Bedeutung, da sie die beobachtbaren Positionen der Sterne, wie in diesem Fall die Temperatur und Leuchtkraft, zu deren Chronologie in Beziehung setzen.
(aus: VandenBerg et al. 2000, Astrophysical Journal, Band 532, Seite 430)

Jetzt kommt der entscheidende Punkt: da die Sonne also in Abhängigkeit von ihrem Alter immer eine bestimmte Effektivtemperatur und auch Leuchtkraft besitzt, sie also in dem gezeigten Effektivtemperatur-Leuchtkraft Diagramm in Abbildung 1 zu einem bestimmten Zeitpunkt also immer auch einen bestimmten Ort einnimmt, so beschreibt die Sonne in ihrer insgesamten Entwicklung einen für sie charakteristischen "Weg" in diesem Diagramm. Sie hinterläßt, vereinfacht ausgedrückt, gleichsam ihre Spur oder ihren Fingerabdruck in diesem Diagramm. Und diese Spur gestattet es wiederum den Astronomen, das genaue Alter der Sonne, bzw. auch jedes anderen Sterns zu messen. Genau genommen stimmt das eben gesagte aber dann doch nicht: man weiß nämlich das wahre Alter der Sonne - eben jene 4.5 Milliarden Jahre - aus Meteoriten Daten so exakt, daß man nun genau umgekehrt versucht, ein Verständnis der Sonne mit Hilfe von Modellrechnungen zu erlangen. Dazu wird die Sonne sozusagen komplett von innen nach außen, sowie in ihrer zeitlichen Entwicklung, auf dem Computer durchgerechnet. Bedingung ist hierbei, daß diese - also die Rechnungen - zu dem bekannten Alter der Sonne von 4.5 Milliarden Jahren auch ihre aktuelle Leuchtkraft, ihren aktuellen Radius, bzw. ihre aktuelle Effektivtemperatur abliefern müssen. Mit anderen Worten: die Rechnungen werden an der Sonne geeicht, sind dann aber für andere Sterne (deren Alter man ja im Allgemeinen nicht kennt), sowie auch auf die zukünftige Entwicklung der Sonne selbst, anwendbar.

Das in Abbildung 1 gezeigte Diagram ist nun eines der zentralsten Werkzeuge der Astronomen, die Entwicklung der Sterne zu verstehen, und zieht sich seit nun schon 100 Jahren durch die gesamte Literatur der Astrophysik. Den in Abbildung 1 gezeigten Weg der Sonne nennt man übrigens ihren "Entwicklungsweg". Die hier mit kleinen Sternsymbolen markierten Stellen haben jeweils rechts daneben das aus einem Computerprogramm errechnete Alter der Sonne angeschrieben. So bedeutet zum Beispiel die Zahl "3.26" ein Alter von 3.26 Milliarden Jahren. Die Zeitmarke "4.45" befindet sich also in unmittelbarer Nähe der aktuellen Sonne, die hier durch einen kleines, diamantenes Symbol angedeutet ist.

Machen Sie sich nun selbst ein Bild zur Entwicklung der Sonne. In Abbildung 1 ist sozusagen der "Fahrplan" wie es weitergeht. Der Umkehrpunkt wird, wie gesagt nach etwa 7 bis 8 Milliarden Jahren erreicht. Der Wasserstoff im Zentrum der Sonne ist etwa eine Milliarde Jahre später aufgebraucht, und eine weitere Milliarde Jahre später, also etwa mit einem Alter von 10 Milliarden Jahren, hat die Sonne den notwendig gewordenen Umbau zu einem wasserstoff-schalenbrennenden Stern geschafft. Die Leuchtkraft ist dann bei über 2.0, also mehr als doppelt so hoch wie derzeit. Und jetzt achten Sie bitte auch auf die nachfolgenden Zeitmarken in Abbildung 1: es erfolgt nun nämlich ein Temperatursturz von etwa 1000 Grad innerhalb 1 Milliarde Jahre.

1 Milliarde Jahre sind natürlich immer noch ein gewaltiger Zeitraum. Verglichen mit dem was vorher bezüglich des Entwicklungsweges der Sonne in Abbildung 1 passiert ist, geht nun aber bereits "die Post ab". Gleichzeitig entnehmen wir aber auch der Abbildung 1, daß trotz des Temperatursturzes an der Sonnenoberfläche, die Leuchtkraft etwa gleich bleibt. Das heißt aber nun nichts anderes, als daß der Radius der Sonne deutlich zugenommen haben muß. Einverstanden? Denn: nur wenn die Sonne insgesamt größer ist, kann sie trotz einer merklich geringeren Oberflächentemperatur die Leuchtkraft hoch halten.

So erreicht die Sonne nach etwa 11.6 Milliarden Jahren den 2.3 fachen Durchmesser, den sie heute hat. Da sie gleichzeitig aber auch deutlich kühler geworden ist, hat sich ihre Farbe von derzeit gelb in orange verändert. Und diese merklich größere Sonne heizt der Erde und den anderen Planeten nun gehörig ein. Wenn Sie das beunruhigt, trösten Sie sich damit, daß es ja erst in Milliarden Jahren so geschehen wird. Und außerdem: bis hierher war im Grunde noch alles einigermaßen verträglich. Erst die folgende Entwicklung der Sonne wird jetzt so richtig dramatisch.

Die sich nach außen weiter vorwärts fressende Verbrennungsfront der Kernfusion sorgt für eine weitere Ausdehnung der Sonne. Da diese aber in ihren Außenbereichen bereits recht kühl geworden ist, kann sie nicht mehr, wie bislang, durch eine weitere Abkühlung der Oberflächentemperatur in gleichem Maße reagieren bzw. Schritt halten. Mit anderen Worten, die ständig fortgeführte Vergrößerung der Sonne bedeutet nun auch unweigerlich eine extreme Vergrößerung ihrer Leuchtkraft. Die bislang eher kontrolliert stattfindende Entwicklung unseres Heimatsterns läuft nun gleichsam aus dem Ruder. In dem Entwicklungsweg-Diagramm der Abbildung 1 macht die Sonne eine Linkskurve und dann geht es steil nach oben in das Reich der "Roten Riesen".

So heißen die gigantischen und rotleuchtenden Sterne wie der berühmte ALDEBARAN im Sternbild Stier oder auch ANTARES im Skorpion tatsächlich. Wir hatten ja auch schon vor einigen Monaten die "Weißen Zwerge" kennengelernt. Lassen Sie sich aber nicht täuschen, Sie lesen hier nach wie vor einen Text aus dem Bereich der Astrophysik und befinden sich nicht etwa aus Versehens in Grimm's Märchenstunde, auch wenn Ihnen sogar die hier vorgetragenen Inhalte des Schicksals der Sonne bzw. der Sterne gelegentlich märchenhaft vorkommen mögen.

Doch wie geht es nun weiter? Die Sonne wird nun tatsächlich ein gigantischer Riesenstern. Schon innerhalb einiger hundert Millionen Jahre nach Erreichen der oben beschriebenen "Linkskurve" hat sie sich auf das 10fache und dann sogar auf das 100fache ihres heutigen Durchmessers ausgedehnt. Die Leuchtkraft erreicht sogar Werte, die das 1000fache des heutigen Wertes übertreffen. Suchen Sie doch mal den Punkt für die Leuchtkraft mit dem Wert "1000" in der Abbildung 1! Das ist weit jenseits des oberen Randes und gibt Ihnen vielleicht eine Vorstellung von dem, was jetzt mit unserem Heimatstern passiert.

Diese dramatischen Veränderungen der Sonne sind natürlich vor allem auch ein äußeres Zeichen der Tatsache, daß es ihr sozusagen "ans Leder" geht. Noch etwas drastischer formuliert, könnte man sagen, die Sonne befindet sich mitten in ihrem Todeskampf, da der Wasserstoff-Vorrat nun gar nicht langsam und auch sicher zu Ende geht. Doch dann zeigt sich, daß unser Heimatstern doch noch ein Aß im Ärmel hat und sozusagen den Hals noch ein letztes Mal - zumindest vorübergehend - aus der Schlinge ziehen kann…

Wie die Sonne das in ferner Zukunft schafft, werden wir im nächsten Monat - im fünften und letzten Teil dieser kleinen Serie - kennenlernen.

Ist denn aber dieser rote Riesenstern nun überhaupt noch unser "Heimat"stern? Wenn Sie, bei einem Alter der Sonne von 12 Milliarden Jahren, wieder in Tazacorte sitzend, den Sonnenuntergang genießen möchten, so reicht der Rand der Sonne jetzt praktisch vom einen Ende des Horizontes bis zum anderen. Nur, wird es diesen Strand, und auch alle anderen Strände auf unserem Planeten, dann wohl nicht mehr geben, da alle Ozeane praktisch verdampft sind. Dieser "Super-Calima" wird dann alles Leben auf der Erde ausgelöscht haben. Es mag ein Trost sein, daß es unseren Planeten wenigstens überhaupt noch gibt. Denn die inneren Planeten Merkur - und wohl auch die Venus - werden zu diesem Zeitpunkt schon im Innern der Sonne ihr Dasein beendet haben.

Auch darauf werden aber wir im nächsten Teil noch einmal kurz zu sprechen kommen.


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Abbildung 2: Sonnenuntergang am Strand von Tazacorte. Links der heutige Anblick und rechts daneben das Szenario in etwa 7.5 Milliarden Jahren, wenn die Sonne ein Roter Riese ist. In der hier gezeigten "Momentaufnahme" hat die Sonne bereits die 10fache Größe. Schon wenige Millionen Jahre später wird sie dann sogar den mehr als 100fachen Durchmesser erreichen! Spätestens dann ist es auch mit dem Strandleben vorbei, weil den Ozeanen schlicht das Wasser ausgeht.




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