Startseite | Carlos Geschichten | News | Ferienhäuser | Newsarchiv | Kontakt



Carlo, San Borondón

Kein Seglergarn:
Die Bruden av Mandal
Das Ende


              

Die nachfolgende Geschichte ist frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit anderen Berichten oder Erzählungen ist rein zufällig. Gleiches gilt für die verwendeten Namen, Bezeichnungen, Techniken und geografischen Orte

Mitte Dezember. Der erste Sturm des aufziehenden Winters war vorbei. Gru hatte ihren Einsatz auf den Bohrinseln beendet und freute sich auf drei Wochen Urlaub. Sie wollte mit Chris für ein paar Tage in die Berge zum Langlauf. Im August hatten sie geheiratet. Südlich von Stavanger auf einer flachen Halbinsel im Listaland nannten sie seit kurzem ein Haus ihr Eigen, und Gru war voll damit beschäftigt, die ersten notwendigen Vorkehrungen nach dem Einzug zu treffen. Die Dinge waren einfach noch nicht an ihren Platz. Das Festnetztelefon klingelte. "Eigenartig," dachte sie, wer konnte wohl die absolut brandneue Nummer haben?'" - "Es ist Gru, hej!" - Sie vernahm ein Geräusch, ein Rauschen, eine ferne Stimme, die immer wieder‚ Gru, Gru" sagte. Plötzlich überkam es sie: "Spencer? - Spencer - bist du das?" Sie hörte das auf- und abschwellende Rauschen, stand da jemand am Strand, war da eine Brandung? " Hallo, Spencer, sag doch was!" - "Ist da Gru, die Gru von der Bruden?" Die Stimme klang zerbrechlich, fast weinerlich. " Ja, hier ist Gru - Spencer, wo bist du?" - "Gru, kannst du zu mir kommen, ich muss die Welt verlassen." - Spencer, hör mal zu, sag mir, wo du bist - in Amerika?" - "Nein, nicht mehr, ich bin wieder hier, ich musste wieder zurück, wohin sollte ich auch gehen." - "Was ist wieder hier - bist du etwa auf El Hierro?" - "Ja, das ist El Hierro, kannst du zu mir kommen, ich weiß jetzt, dass ich wieder gehen muss, aber ich will dir noch vieles sagen!" - "Ja, wo bist du auf El Hierro, wie heißt der Ort?" - " Ja das ist der Ort, wo ich das Boot wiedergefunden habe." - " Du bist in La Restinga?" - " Ja, das ist wohl der Hafen." - "Spencer, pass mal auf, ich habe deine Telefonnummer hier auf dem Display, wir beenden jetzt das Gespräch, und ich rufe dich wieder an.... Spencer hörst du mich?!" Sie hörte das Rauschen, sie hörte, wie etwas gegen das Mikro schlug, dann war die Leitung tot.
Gru holte tief Luft, an alles hatte sie denken können, nur nicht, dass dieser Spencer wieder auftauchte. Unvermittelt sah sie sich von der Situation gefangen und griff zum Hörer - "El número marcado no existe".... - Sie wählte immer wieder, und immer wieder kam die Ansage. Schließlich gab sie auf. Sie blickte über das weite und graue Lista-Land zum Meer und ihre Gedanken liefen hinaus weiter und weiter, dann biss sie sich auf die Lippe und ging zum Rechner, um einen Flug zu suchen. Chris würde bald Schichtende haben.

Sie fanden Spencer im Hafen von La Restinga. Er saß in seinem Dingi und hantierte mit einem großen Außenborder. Etwas zu groß und zu neu für ein altes Boot, fand Chris, aber wenn schon verrückt, dann auch ganz. Gru hatte sich eingepackt und eine große Sonnenbrille in die Haare geschoben, Chris wie immer in Jeans und offenem Hemd. Er brauchte bei seinem "Pelz" keine Sonnencreme, nur im Gesicht wurde er etwas rot, aber das jahrelange Leben auf den Plattformen hatte die Haut wetterfest gemacht. So standen die beiden auf der Mole als Spencer zufällig seinen Kopf hob und herübersah. Sekunden gingen bis zur Gewissheit, dann sprang er hoch auf die Ruderbank und breitete die Arme aus: "Meine Freunde, ihr seid da, ich bin glücklich euch zu sehen!" Die Herzlichkeit in seinem Gemütsausbruch berührte Gru zutiefst, sie breitete die Arme aus, als Spencer auf sie zulief, und eine plötzliche unerwartete Freude über das Wiedersehen band die drei Menschen zusammen. Spencer trug einen kurzen Bart, und auch seine Mähne von damals hatte sich zu einem gefälligen Haarschopf verwandelt. Aber wie seinerzeit trug er wieder ein weites, weißes Hemd und Bermuda-Shorts. Seine sehnig gebräunten Füße steckten in Sandalen. Er sieht eigentlich gut aus, dachte Gru.

"Ja, es geht mir jetzt gut, die Gewissheit, dass ich wieder auf die Insel gehen kann, hat mich aus tiefer Verzweiflung in die Höhe getragen, es war eine furchtbare Zeit!" Spencer durchlebte nochmals die vergangenen Monate mit der ihm eigenen Intensität. Sie hatten sich in einem Kiosk in den Schatten gesetzt, und seit Stunden tauchten Gru und Chris in die seltsame Welt eines Freundes ein, den sie mehr und mehr als ganz außergewöhnlich empfanden. Spencers Geschichte war ebenso phantastisch wie seine Ausstrahlung Er war schon wenige Tage nach seinem Abschied von der Bruden nach Amerika geflogen, und die Ankunft in einer militärischen Anlage mitten in einer glutheißen Wüste hatte ihn zutiefst erschreckt und gekränkt. Die vermuteten Freunde waren nicht mehr für ihn da, und es folgten wochenlange Befragungen und Diskussionen über sein Wissen, das er nicht vermitteln konnte: "Sie verstanden mich nicht, und je weniger sie mir folgen konnten, desto unangenehmer wurden sie! Ich habe immer wieder versucht, sie ein neues Denken zu lehren, aber ihr Geist ist so unrein! Nach zwei Monaten brachten sie das Gestell mit der Kugel in einen Bunker tief unter der Erde, und ich musste ihnen zeigen, wie ich die Kugel mit meinen Gedanken bewege. Ich musste dann mehrmals mit einem Flugzeug verreisen und von anderen, weit entfernten Orten die Kugel bewegen. Sie wollten mich zu Experimenten zwingen, die keine guten Absichten haben konnten. Sie wollten, dass ich ihnen sage, wie sie Raumschiffe bewegen können, aber Raumschiffe sind nicht sinnvoll, das habe ich immer wieder versucht zu erklären. Erst ein neues Denken eröffnet die Erkenntnis, und das konnten sie nicht begreifen. Eines Tages - sie hatten die Kugel aus dem Gestell genommen - und konnten sie nicht wieder zurücklegen, da habe ich etwas gemacht, was ich eigentlich nicht gewollt habe oder sagen wir es so, ich hatte nicht gewusst, ob ich es kann, ich habe die Kugel wieder in das Gestell gelegt und sie in die richtige Position gebracht. Und in diesem Moment hatte sich meine Zeitkonstante verschoben, sie konnten mich nicht sehen!" Spencer erregte sich so sehr, dass er aufsprang und tief durchatmete: "Aber ihr, ihr versteht mich!" "Ja", sagte Gru ganz einfach und nahm seine Hand. Sie zog ihn wieder auf den Stuhl. "Chris und ich sind deine Freunde, wir wollen nichts von Dir, wir sind nur ganz und gar für dich da, wenn du uns brauchst!"

Spencer grub wieder in seinen Erinnerungen. Eines Morgens sei ein Mann zu ihm gekommen, der ihn aufforderte seine psychischen Spiele, wie er es nannte, zu unterlassen. Man werde ihn schon zur Vernunft bringen. Es begann wieder eine Zeit der Befragungen und endlosen Experimente. Er habe Einrichtungen gesehen, in denen schwere Materie lagerte, aber niemand wollte ihm sagen, wie sie entstanden sei und wozu sie dort aufbewahrt wurde. Spencer erkannte, dass er ein Schlüssel sein sollte, um Menschen einen Zugang zu vorteilhaftem Wissen zu öffnen, das ihr Denkvermögen weit überforderte, sie wollten ihn missbrauchen. Als er diesen Gedanken äußerte und um die Herausgabe des Gestells mit der Kugel bat, verwandelte sich das Verhalten seiner Gesprächspartner in gleichgültige Freundlichkeit. Vor etwa einem Monat habe man ihn mit etwas Geld verabschiedet. Ein Psychiater gab ihm den Rat, nie über seine Erlebnisse zu reden, er sei ein kranker Mann mit starken Psychosen, ja, man könne ihn auch einsperren. Ein Gestell mit einer kleinen Kugel, nein, das hat es nie gegeben, und deshalb könne er es auch nicht zurückbekommen. Alsbald saß er in einem Flugzeug auf dem Weg nach Europa - ein Verrückter!

"Ihr kennt die Wahrheit!" Spencer lehnte sich erschöpft in seinem Plastikstuhl zurück, der Sand knirschte, und er blickte vor sich hin. "Ich habe eine Bitte an Euch! Fahrt morgen Abend zum Leuchtturm und bleibt dort, bis es dunkel wird. Dann werde ich mit Gru Kontakt haben, weil sie von mir dieses Muster bekommt. Ich habe es aufgezeichnet. Es ist nicht sehr komplex, aber" - er wandte sich an Gru - "du musst es bis morgen denken können, du darfst es nicht auf dem Papier sehen, du musst es in deinem Geist sehen und jedes Detail durchlaufen, so schnell es dir gelingt. Wenn du gleich morgen in der Frühe damit beginnst, wirst du es abends können." Gru blickte auf das Stück Papier, das Spencer ihr entgegenhielt. Sie nahm es und zeigte es Chris. Eine Fülle kleiner Zeichen, die sich chaotisch in Linien und Kreisen verbanden und wieder auseinanderbrachen. "Das ist wie ein Hologramm!" Chris hatte den Gedanken wie eine Eingebung in seinem Kopf. "Wenn du es erkennst, siehst du etwas Ganzes! - Wir machen das Spencer, ich glaube, dass Gru es schafft!"

Die Nacht war kurz. Sie saßen auf der Dachterrasse des kleinen Hotels in der Morgensonne. "Ich denke, du machst hier eine Erfahrung, die ihresgleichen sucht", bemerkte Chris, "ach, übrigens", er wandte er sich an den Jungen, der mit dem Frühstück kam, "habt ihr ein Fernglas?" Chris legte die Hände um die Augen und drehte den Kopf in aller Richtungen. Er ging zu Gru um den Tisch und streichelte ihre Schläfen. "Ich glaube, wir werden heute wieder ein Abenteuer bestehen!" Der Junge reichte ihm das Fernglas, und Chris lies seinen Blick über den Hafen schweifen: "Ja, das Dingi ist weg. Ich habe es geahnt!"

"Der Engländer, ja, der ist etwas verrückt, aber sonst ganz OK. Er fährt immer mit seinem alten Boot an der Westküste entlang, aber abends ist er dann wieder hier!" Nein, das sei kein Problem! Gru betrachtete ihr Hologramm, wie sie jetzt beide sagten und hörte die Worte, die Chris mit dem Fischer wechselte, wie aus weiter Ferne. Sie wusste, dass Spencer nicht wiederkommen würde.

Am Abend saßen sie auf den Steinen vor dem Leuchtturm. Im Westen baute sich eine Schlechtwetterfront auf, es würde wohl Regen geben. Gru fröstelte, sie dachte fest an ein Muster, aber es wollte ihr nicht gelingen, die vielen Zeichen zu einem Ganzen zu vereinigen, So saßen die beiden lange schweigend zusammen, als Gru zusammenfuhr. "Das ist eine Eselsbrücke, es löst sich auf, das ist nur eine Übung, warte Chris. Er ist auf der Insel, sieh', da ist sie!"

Epilog

Wenige Tage später zerfiel eine kleine schwarze Kugel zu schwerer Materie und absorbierte sich selbst in einen Ort. Ein Schwall überschüssiger Teilchen zerstrahlte den Bunker. Der Ort durchschlug unendlich schnell die Erde und raste tonnenschwer aus dem indischen Ozean in das All. Er destabilisierte die gesamte Region.


Zur nächsten Geschichte | zurück zur Übersicht

San Borondón



Familie Ellen & Simon Märkle

Kontaktinformationen